Cottbus-Chronik
1938
- Die Trachtenschneiderin Pauline Krautz tritt in Burg (Spreewald) öffentlich gegen die Umbenennung sorbischer Orts- und Straßennamen in der Lausitz durch die Nationalsozialisten ein. Sie wird deshalb für zehn Monate im Cottbuser Frauenzuchthaus inhaftiert.
- Der Platz vor der Stadtmauer an der Sandower Straße unterhalb des Schlossberges erfährt seine Ausgestaltung: Der Hamburger Künstler Richard Kuöhl gestaltet hier den "Tuchmacherbrunnen". Der Brunnenring trägt die Aufschrift "Ein ehrsam Handwerk wird geehrt, dass gute Tuche wirkt und schert“ und erinnert noch heute an die jahrhundertlange Tradition der Tuchherstellung in Cottbus.
- Die erste offizielle Omnibuslinie zum Flugplatz wird in Betrieb genommen.
- Westlich des Cottbuser Bahnhofsempfangsgebäudes wird ein Sozialgebäude für die 1.200 Cottbuser Eisenbahner erbaut.
- Nach dem zwangsweisen Verkauf aller Kaufhäuser der Firma Schocken schieden die letzten jüdischen Mitarbeiter aus dem Betrieb aus, das Kaufhaus wurde von der Nachfolgeorganisation "Kaufstätten Merkur AG" weiter betrieben.
- Die "Mechanischen Werke Cottbus GmbH" als Teilbetrieb der "Phänomen-Werke Gustav Hiller GmbH Zittau" fertigen das Kettenfahrzeug "ZKW" für die Wehrmacht.
- Mit dem Schreiben des Regierungspräsidenten Frankfurt/Oder vom 22. Januar 1938 an die Bürgermeister und Ortspolizeibehörden wird festgelegt, dass Versammlungen wie das Zampern unter das "Reichssammlungsgesetz" vom 05.11.1934 fallen und da für diese kein "hinreichendes öffentliches Bedürfnis vorliegt, dürfen sie nicht mehr stattfinden".
- Die "Verdeutschungsaktion" zur Veränderung der Cottbuser Flur- und Straßennamen wird am 5. Februar 1938 beendet, da laut geheimen Schreiben des Reichs- und preußischen Ministers des Innern "wehrpolitische Interessen dazu zwingen, keine Änderungen mehr im Reichskartenwerk vorzunehmen". Trotzdem werden mehr als 130 Ortsnamen in der Niederlausitz vom Niedersorbischen ins Deutsche übertragen und für verbindlich erklärt.
- Willy Budich wird am 22. März 1938 in einem Moskauer Gefängnis hingerichtet. Er war am 16. April 1890 in Cottbus geboren worden und Mitbegründer des Spartakusbundes. Nach seiner aktiven Beteiligung an der Münchener Räterepublik wurde er inhaftiert und flüchtet später in die Sowjetunion. Er kehrte 1929 nach Deutschland zurück und war als Redakteur der „Roten Fahne" tätig. 1933 flüchtete er erneut nach Sowjetrussland. Hier wurde er am 22. März 1938 zum Tode verurteilt. Dieses Urteil wurde 1955 aufgehoben.
- Am 6. April 1938 wird das Richtfest für die neue Kirche in Willmersdorf gefeiert. Der Entwurf stammt vom Cottbuser Architekten Hans Palm. Am 17. August 1938 erhält die Kirche zwei Glocken. Die feierliche Einweihung findet am 9. Oktober 1938 statt. Sie steht in Nord-Süd-Richtung im Dorf, die Außenansicht ist geprägt durch die Klinker aus Großräschen, an der Nordfassade steht ein fünfgeschossiger Turm und die Orgel stammt von der Firma Heinze aus Sorau.
- Im Juli wird mit dem Bau der Unterkunft der motorisierten Gendarmerie in Branitz begonnen.
- Am 26. Juli 1938 beschlagnahmt die Polizei sämtliches Eigentum des nun vom Staat verbotenen "Deutschen Kolping-Gesellenvereins", die Fahne der "Cottbuser Kolpingfamilie" wird im Hof der Kirche St. Maria Friedenskönigin verbrannt. Der Gemeinde wird dies am 31. Juli 1938 von der Kanzel aus mitgeteilt.
- Am 28. Oktober 1938 werden erste polnische Juden, die sich bereits in Abschiebehaft befanden, mit dem Zug aus der Stadt und über die Grenze gebracht.
- Im November 1938 wird im Logengebäude nach umfangreichen Bauarbeiten eine Kunstausstellung gezeigt. Darin werden im Erdgeschoss auch die Arbeiten Carl Blechens präsentiert. Gleichzeitig wird im selben Gebäude das "Niederlausitzer Landesmuseum für Vor- und Frühgeschichte" begründet und die vor- und frühgeschichtlichen Sammlungen wieder der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Betreut wird das Museum von Prof. Dr. Alfred Pätzold, dem Direktor der Oberrealschule im Ruhestand.
- Die Cottbuser Synagoge in der Jahrstraße wird in der berüchtigten "Reichskristallnacht" (auch "Reichspogromnacht" oder Novemberpogrom) vom 9. November 1938 zum 10. November 1938 von den Nationalsozialisten in Brand gesetzt und zerstört. Alle Trümmer müssen in den folgenden Wochen bis 1939 auf Kosten der jüdischen Gemeinde und von den noch in der Stadt lebenden Juden beseitigt werden, danach wird eine Grünfläche angelegt. Auch der alte Jüdische Friedhof in der Dresdner Straße wird geschändet, dagegen bleibt die 1916 angelegte Begräbnisstätte auf dem Südfriedhof verschont. Am 9. / 10. November 1938 kommt es ferner zu zahlreichen Verhaftungen Cottbuser Juden. Akribisch werden Listen geführt, die nationalsozialistische Hetze gegen jüdische Mitbürger erfährt immer neue Grausamkeiten.
- Am 14. November 1938 bringt ein erster Transport jüdische Mitbürger in die Vernichtungslager. Vier Jahre später, am 24. August 1942, werden die letzten in Cottbus lebenden Juden, unter ihnen auch der Vorsteher der Synagogengemeinde, in das KZ Theresienstadt verschleppt. Nach einem Bericht aus dem Jahre 1946 sollen lediglich zwölf Menschen jüdischen Glaubens aus Cottbus den Holocaust überlebt haben – die hiesige jüdische Gemeinde wurde ausgelöscht. Noch heute ist nicht bekannt, wie viele Cottbuser Juden eventuell die Schreckensherrschaft durch die Flucht ins Ausland überlebt haben.
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