Cottbus-Lexikon
Haftanstalt (Zuchthaus)
Der Gefängnisbau wurde in den Jahren 1855 – 1859 unter der Führung der preußischen Justizverwaltung errichtet. Als Standort bot sich ein damals weitgehend unbebautes Gebiet im Süden von Cottbus zwischen Bellevuestraße (heute Bautzener Straße) und Gartenstraße an. Die offizielle Eröffnung des „Königlichen Centralgefängnisses Cottbus“ erfolgte am 1. April 1860. Die Haftanstalt konnte 200 männliche und 50 weibliche Gefangene aufnehmen. In den folgenden Jahrzehenten wurde das Gefängnis kontinuierlich erweitert, die Häftlingszahlen stiegen. Bis Ende der 1920er Jahre blieb das Zentralgefängnis durchgängig geschlechtergemischt. Ab 1930 bestand dann in Cottbus das einzige Gefängnis für männliche Jugendliche im so genannten „Kammergerichtsbezirk“ (dazu zählten die Strafanstalten in Berlin und dessen Umland). Nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten wuchs die Zahl politischer Häftlinge stark an.
Anfang 1937 wurde das Cottbuser Zentralgefängnis kurzzeitig zur Haftanstalt für Männer. Ab Mitte 1937 verbüßten hier ausschließlich Frauen ihre Haftstrafe. Anfang 1939 kam es zu einer Nutzungsänderung, die bis zum Kriegsende Bestand hatte: Cottbus wurde zum Frauenzuchthaus für den Kammergerichtsbezirk Berlin. Mit „Zuchthaus“ Bestrafte erwarteten noch härtere Bedingungen bezüglich Unterkunft, Arbeit und Verpflegung als die zu einer Gefängnisstrafe Verurteilten.
Bekleidung und Verpflegung galten lange als einigermaßen ausreichend, allerdings trat hier während des Krieges eine starke Verschlechterung ein, die Häftlinge mussten oft hungern. Bis etwa 1940 dominierte traditionell „weibliche“ Gefängnisarbeit, insbesondere hauswirtschaftliche Tätigkeiten oder Textilarbeiten. Später wurde das Zuchthaus immer mehr in die Rüstungsproduktion einbezogen, die auch in auswärtigen Betrieben stattfand. Darüber hinaus gewannen landwirtschaftliche Außenkommandos an Bedeutung, nicht zuletzt um mit für die Häftlingsarbeit erhaltenen Naturalien die Ernährung der Insassinnen zu verbessern.
Zu den wichtigsten Häftlingsgruppen gehörten neben kommunistischen Widerständlerinnen (z. B. Angehörigen der „Roten Kapelle“), den hier in Untersuchungshaft befindlichen Frauen der Hamburger Weißen Rose (z. B. Traute Lafrenz) und vielen Polinnen nach Kriegsbeginn auch so genannte Nacht- und Nebelgefangene, überwiegend Französinnen und Belgierinnen. Zahlreiche jüdische und polnische Gefangene ließ die Justiz als angeblich „Asoziale“ ins KZ Auschwitz deportieren. Mit Herannahen der Front und insbesondere nach dem verheerenden Luftangriff vom 15. Februar 1945, der mehrere Dutzend Tote unter den Insassinnen forderte, wurden mehr und mehr Frauen aus Cottbus in andere Haftanstalten verlegt. Schon zuvor waren viele insbesondere westeuropäische Gefangene schließlich der Gestapo übergeben und unter anderem ins KZ Ravensbrück deportiert worden. Die letzten Häftlinge entließ man unmittelbar vor Ankunft der Roten Armee im April 1945.
Nach dem Krieg wurde die weitgehend zerstörte Haftanstalt provisorisch von der Stadtverwaltung übernommen und anschließend dem Brandenburger Justizministerium unterstellt. 1951 übertrug die SED das Gefängnis dem DDR-Innenministerium und somit der Deutschen Volkspolizei. Das Haftregime verschärfte sich damit erheblich, da die neuen Verantwortlichen den bisherigen Strafvollzug als zu humanitär geprägt ansahen. Seit Mitte der 1960er Jahre entwickelte sich die Vollzugsanstalt immer mehr zu einem Schwerpunktgefängnis für ausreisewillige DDR-Bewohner, die wegen der Vorbereitung oder Durchführung eines Fluchtversuchs verurteilt worden waren.
Der Strafvollzug in der DDR war eine tragende Säule der Parteidiktatur, da er nicht zuletzt die Inhaftierung und Isolierung vermeintlicher oder tatsächlicher Gegner der SED ermöglichte. Für die „politisch-operative“ Kontrolle des Strafvollzugs zeichnete das Minsterium für Staatssicherheit verantwortlich. In den größeren Haftanstalten war die „Stasi“ durch eine sogenannte Operativgruppe vor Ort präsent, so auch in Cottbus.
In der Haft herrschten quasi-militärische Ordnungsvorstellungen; die Gefangenen sollten offiziell „erzogen“, faktisch aber gebrochen werden. Die Arbeitsumstände waren katastrophal (Normdruck, mangelnder Arbeitsschutz, veraltete Produktionsanlagen). Auch die sonstigen Haftbedingungen (häufige Überfüllung, schlechte Ernährung und Bekleidung, mangelhafte Hygiene und Gesundheitsversorgung) führten bei nicht wenigen Gefangenen zu bleibenden physischen und psychischen Schäden. Die damaligen Insassen bezeichneten das Gefängnis meist als „Zuchthaus“ Cottbus und spielten damit auf die schlechten Haftbedingungen an.
Viele Cottbuser Gefangene hatten bereits vor ihrer Inhaftierung einen Aúsreiseantrag in die Bundesrepublik gestellt, andere taten das während der Haft. Tatsächlich gelang es der Bundesregierung, mehrere tausend Cottbuser Häftlinge „freizukaufen“, was – nach einem mehrtägigen Zwischenstop in Karl-Marx-Stadt – meist zu deren direkter Entlassung in den Westen führte.
Nach der Wiedervereinigung 1990 übernahm die Brandenburger Justiz das Gefängnis und führte es noch bis zum Umzug der JVA im Jahr 2002 nach Cottbus-Dissenchen weiter. Nach Schließung der Haftanstalt verfielen die Gebäude; das Gelände wurde versteigert und an einen Privatinvestor veräußert. 2007 gründete sich der Verein Menschenrechtszentrum Cottbus, dem es 2011 gelang, das Gefängnisareal zu erwerben und in der Folgezeit teilweise zu sanieren. 2012 konnte hier eine Gedenkstätte eröffnet werden.
Alisch, Steffen: Strafvollzug im SED-Staat. Das Beispiel Cottbus. Frankfurt/Main 2014.
Bremberger, Bernhard: "Alles politisch Verfolgte, alles Leute, die sich gegen Hitler gestellt hatten". Das Cottbuser Zentralgefängnis im Nationalsozialismus. In: Informationen. Wissenschaftliche Zeitschrift des Studienkreises Deutscher Widerstand 1933-1945. 37 (2012). 76. S. 6-11.
Bildquelle: Foto Städtische Sammlungen Cottbus, Fotograf: Reinhard Grandke