Cottbus-Lexikon

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Hugenotten kommen

Protokollbuch der Französischen Gemeinde Cottbus
Protokollbuch der Französischen Gemeinde Cottbus

Ein Blick in aktuelle und vergangene Adressbücher eröffnet ebenso wie ein aufmerksamer Rundgang auf Friedhöfen häufig eine aufschlussreiche Perspektive auf frühere Migrationsbewegung. So fallen beim Betrachten des Einwohnerbuchs der Stadt Cottbus von 1925 nicht nur zahlreiche slawische bzw. sorbische Familiennamen auf. Gelegentlich wird man auch auf französische Namen stoßen. So findet sich der Eintrag: Albert Ballier, Papier- u. Schreibwarenhdlg., Berliner Platz 9. Doch auf welchem Weg und unter welchen Umständen gelangte die Familie Ballier in die märkische Provinz?

Eine Antwort darauf gibt das Potsdamer Toleranzedikt von 1685. Im katholisch dominierten Frankreich befand sich zu diesem Zeitpunkt die Verfolgung von Protestanten bzw. der Hugenotten auf einem Höhepunkt. Anhänger der protestantisch-reformierten Konfession wurden mit aller Härte verfolgt. Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg gewährte ihnen daraufhin mit dem Toleranzedikt ein Asyl, das mit zahlreichen Privilegien wie Steuerfreiheiten verbunden war. Diesem Ruf in das Kurfürstentum Brandenburg sollten etwa 20.000 der als Refugiés bezeichneten Hugenotten folgen. Das Edikt war jedoch kaum ein Zeichen besonderer religiöser Toleranz, sondern vielmehr ein ökonomischer Schachzug. Noch immer litt Brandenburg unter den Verheerungen des Dreißigjährigen Krieges und zahlreichen Pestepidemien. Mit dem Zuzug der Hugenotten sollten der Bevölkerungsmangel behoben und die Wirtschaft wiederbelebt werden. Jedoch war nicht jeder willkommen: Die Behörden überprüften jeden Refugié auf dessen wirtschaftliche und berufliche Situation.

In Cottbus, wo noch immer zahlreiche Häuser und Handwerksstellen nicht besetzt waren, ließen sich ab 1701 die ersten 13 Familien mit insgesamt 27 Personen nieder, denen noch zahlreiche weitere Refugiés folgten. Den Neuankömmlingen wurde ein Startkapital von 300 Talern sowie ein Bauplatz innerhalb der Stadt zur Verfügung gestellt. Zudem wurde ihnen die Fläche der ehemaligen Katharinenkapelle kostenfrei überlassen, um an diesem Ort ein neues Gotteshaus – die heutige Schlosskirche bzw. Synagoge – zu bauen. Inwieweit die gewährten Privilegien zu Ressentiments und Ablehnung durch die alten Einwohner führten, lässt sich rückblickend kaum einschätzen. Jedoch ist aus anderen Teilen der Mark Brandenburg überliefert, dass es wiederholt zu Konflikten kam. Vor allem wenn es zu wirtschaftlichen Interessenüberschneidungen kam, begehrten die Altsiedler auf. Zumeist richtete sich dann deren Zorn jedoch gegen die Obrigkeit, die als Urheber der Neuansiedlung betrachtet wurde. Gleichzeitig konnte es aber auch zu einer Interessengleichheit zwischen den Altsiedlern und den Neuankömmlingen kommen – zum Beispiel bei der Abwehr landesherrlicher Anordnungen.

Erkennbar ist, dass die Ansiedlung der Hugenotten in Cottbus neue wirtschaftliche Impulse setzte. Vor allem der Aufschwung im Textil- und Gerbergewerbe nahm alsbald Formen an und förderte den Handel über die Stadtgrenzen hinaus. Daneben boten Knopf- und Schumacher, Schneider und ein Konditor ihre Dienste an und wandelten damit das Stadtbild. Trotz der wachsenden Größe der französischen Kolonie – bis 1744 auf 121 Angehörige – assimilierten sich die Hugenotten sprachlich und kulturell im Lauf des 18. Jahrhunderts, nachdem sie ihre rechtlichen und kirchlichen Privilegien eingebüßt hatten. Ein Grund für die Anpassung war auch die zunehmende Akzeptanz zwischen den deutschen und französischen Bevölkerungsgruppen, die sich unter anderem im Heiratsverhalten zeigte. Blieb die erste Generation der Hugenotten noch unter sich, so nahmen die deutsch-französischen Eheschließungen Jahr für Jahr zu, was über eine längere Zeit zur Reduzierung der französischen Namensvielfalt führte.

Quellen:
Asche, Matthias: Neusiedler im verheerten Land und Kriegsfolgenbewältigung. Migrationssteuerung und Konfessionspolitik im Zeichen des Landeswiederaufbaus. Die Mark Brandenburg nach den Kriegen des 17. Jahrhunderts. Münster 2006. | Béringuier, Richard: Stammbäume der Mitglieder der französischen Colonie in Berlin. Berlin 1885. | Materna, Ingo (Hrsg.); Ribbe, Wolfgang (Hrsg.): Brandenburgische Geschichte. Berlin 1995. | Einwohnerbuch der Stadt Cottbus und der Orte Sachsendorf, Schmellwitz und Ströbitz 1925. Cottbus 1924. | Muret, Eduard: Geschichte der Französischen Kolonie in Brandenburg-Preußen, unter besonderer Berücksichtigung der Berliner Gemeinde. aus Veranlassung der Zweihundertjährigen Jubelfeier am 29. Oktober 1885. Berlin 1885.

Autor: Paul Fröhlich

Bildquelle: Protokollbuch der Französischen Gemeinde Cottbus, (c) Thomas Richert

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