Cottbus-Lexikon

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NVA in Cottbus

Von der jüngsten militärischen Geschichte ist in Cottbus heute faktisch nichts mehr sichtbar. Nur wenige Gebäude am Stadtrand erinnern daran, dass bis 1990 knapp 12.000 Soldaten der Sowjetischen Streitkräfte und der Nationalen Volksarmee (NVA) in Cottbus stationiert waren. Vor allem die Militärangehörigen der NVA prägten aber nicht zuletzt durch ihre Uniformen maßgeblich das damalige Stadtbild.

Die Geschichte des Cottbuser Garnisonsstandortes begann bereits einige Jahre vor der Gründung der NVA im Januar 1956. Schon seit 1952 war auf dem Flugplatz im Norden der Stadt eine unter der Bezeichnung Aeroklub getarnte Fliegereinheit stationiert. Mit der offiziellen Aufstellung der DDR-Streitkräfte zogen dann Teile eines Heeresverbandes und einer Division der Luftstreitkräfte in Cottbus ein. Da die Sowjetischen Streitkräfte einen Großteil der militärisch nutzbaren Einrichtungen für sich beanspruchten, verfügte die NVA hier wie im Rest der DDR über eine denkbar schlechte Ausgangssituation. Zwar räumte die »Bruder-Armee« einige wenige Standorte, jedoch war man von deutscher Seite häufig auf die Nutzung provisorischer Anlagen oder einen Neubau angewiesen. Der Neubau militärischer Einrichtungen, die allein in Cottbus in den kommenden Jahren knapp 87 Hektar der Stadtfläche ausmachten und sich im Norden am Flugplatz (Albert-Zimmermann-Kaserne) und im Südosten (Paul-Hornick-Kaserne) konzentrierten, stellte die wirtschaftlich angespannte Lage der DDR vor große Herausforderungen. Im Grunde trat – wie bereits im Kaiserreich und im NS-Regime – mit dem Militär ein neuer »Player« bzw. »Konkurrent« in der Stadt auf. Dieser band der enorme Ressourcen band bzw. zog sie von anderen Nutzern, wurde aber auch zu einem nicht unwesentlichen Wirtschaftsfaktor.

In Cottbus wie auch an vielen anderen Orten in der DDR bedeutete die Gründung einer Garnison nicht allein die Anwesenheit von Kriegsgerät, sondern auch den massiven Zuzug von Militärangehörigen und zum Teile auch deren Familien. Besonders bei kleinen, auf dem Lande gelegenen Standorten sorgte diese Zuwanderung für erheblich Probleme. So war selten eine lokale Infrastruktur in Form von Wohnungen, Schulen, Geschäften oder Kultureinrichtungen bereits vorhanden, was natürlich Teilungskonflikte mit der ansässigen Bevölkerung nach sich zog. Zudem entstanden in den kleineren Garnisonen am Ortsrand häufig kleine, isolierte Militärsiedlungen, die dazu führten, dass der Austausch zwischen den Zugezogenen und den Alteingesessenen sehr distanziert sein konnte. Cottbus war durch den Status als Bezirksstadt in einer besseren Ausgangssituation. Aber auch hier war die Wohnungssituation am Ende der Fünfzigerjahre noch in einem beklagenswerten Zustand, da sich das Militär die vorhandenen Kapazitäten mit den Betrieben der aufstrebenden Industriestadt teilen musste. Dies führte dazu, dass für Militärangehörige auch noch zu Beginn der Achtzigerjahre die Wartezeit für eine Wohnung durchschnittlich bis zu acht Jahre betrug.

Darüber hinaus war zumindest in optischer Hinsicht das Militär in Cottbus präsenter als in kleinen Standorten, da es eben nicht zum Bau eines isolierten Satellitenstädtchens kam. So waren die Militärangehörigen mit ihren Familien, insoweit sie nicht als Wehrpflichtige in den Kasernen untergebracht wurden, in der Stadt verteilt. Diese Verteilung führte jedoch nicht zwangsläufig zu größeren Kontakten zwischen der militärischen und zivilen Bevölkerung. Die NVA befand sich während ihrer Existenz in einer ständigen Gefechtsbereitschaft. Bei den Landstreitkräften bedeutete dies, dass sich zu jeder Zeit 85 Prozent des Personals stets in unmittelbarer Nähe zu ihren Standorten befinden mussten. Die damit verbundene Arbeitsbelastung machte eine gesellschaftliche Integration der Soldaten kaum möglich, so dass diese häufig unter sich blieben. Das Militär blieb somit immer ein Stückweit ein Fremdkörper im städtischen Leben. Ebenso trugen die ständigen Belastungen durch Fluglärm und Flugzeugabstürze oder das Ausrücken des Panzerregiments zu Übungen zur Akzeptanz des Militärs wenig bei, wie Proteste und Eingaben der Cottbuser Bevölkerung zeigten.

Dennoch profitierte die Stadt zumindest in wirtschaftlicher Hinsicht indirekt von der Anwesenheit der NVA. Der Mangel an Arbeitskräften – der durch die Wehrpflicht natürlich noch verschärft wurde – führte dazu, dass Wehrpflichtige immer stärker für nichtmilitärische Zwecke eingesetzt wurden. So wurden unter anderem Baubataillone für den Gleisbau im Braunkohlerevier aufgestellt. Das Textilkombinat Cottbus hingegen gehörte zu einem der größten Betriebe mit »anteiliger Rüstungsproduktion«. Allein in den Achtzigerjahren betrug dieser Anteil mehr als 14 Prozent. Mit der Auflösung der NVA im Jahr 1990 führten nicht zuletzt auch solche wirtschaftlichen Abhängigkeiten zum Niedergang der lokalen Industrie.

Quellen:

Bußmann, Thomas: Stahlbeton, Gras und Bahnbefeuerung. Die militärisch genutzten Flugplätze der DDR. Berlin 2011. | Christl, Andreas u.a.: Geschichte der Stadt Cottbus. Cottbus 1990. | Kotsch, Detlef: Das Land Brandenburg zwischen Auflösung und Neubegründung. Politik, Wirtschaft und soziale Verhältnisse in den Bezirken Potsdam, Frankfurt (Oder) und Cottbus in der DDR (1952 bis 1990). Berlin 2008. | Adam, Christian (Hrsg.) u.a.: Sperrgebiete in der DDR. Ein Atlas von Standorten des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS), des Ministeriums des Innern (MdI), des Ministeriums für Nationale Verteidigung (MfNV) und der Gruppe der Sowjetischen Streitkräfte in Deutschland (GSSD). Berlin 2019.

Onlinequellen:

Standortdatenbank der Bundeswehr in der Bundesrepublik Deutschland sowie den von der Bundeswehr genutzten Übungsplätzen im Ausland (Cottbus). Link: https://www.deutsche-militaerstandorte-nach1945.de/view_standorte.cfm?art=2&fnkt=7&ort=Cottbus

Autor: Paul Fröhlich

Bildquelle: Jagdfliegerhelm, (c) Thomas Richert

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