Cottbus-Lexikon
Carl-Thiem-Klinikum
Wir schreiben das Jahr 1900. Das Medizinalwesen der Stadt ist mangelhaft. Es gibt ein Krankenhaus in der Taubenstraße, welches jedoch seit vielen Jahren zu klein und vom technischen Stand her veraltet ist. Auf Grund der schlechten medizinischen Bedingung und der schlechten Finanzierungsmöglichkeiten für das öffentliche Krankenhaus, entstehen in dieser Zeit verschiedene Privatkliniken in der Stadt Cottbus. Darunter auch die Chirurgische Privatklinik des Geheimen Sanitätsrats Prof. Dr. Carl Thiem, welcher sich durch die Unfallchirurgie einen Namen gemacht hat, der weit über die Grenzen Deutschlands bekannt ist.
Auf Grund der schlechten medizinischen Versorgung im Krankenhaus in der Taubenstraße, werden die Forderungen für den Neubau eines Krankenhauses immer lauter. 1907 beginnen erste Diskussionen über den Aufkauf der Thiem´schen Privatklinik und den damit verbundenen Neubau eines Städtischen Krankenhauses. Zwei Jahre später, 1909, beginnen erste konkrete Umsetzungen. So besichtigen zum Beispiel Oberbürgermeister Paul Werner und Prof. Dr. Thiem zahlreiche Krankenhäuser im Land und gewinnen im selben Jahr Baurat Ruppel aus Hamburg für den Neubau des Cottbuser Krankenhauses. Jedoch erst drei Jahre später, am 16. Juli 1912 beschließen die Stadtverordneten letztendlich den Neubau, der am 26. August desselben Jahres mit dem ersten Spatenstich, auf dem 45.000 m² großem Gelände beginnt.
Unter Leitung von Chefarzt Prof. Dr. Carl Thiem, ziehen bereits im März 1914 die ersten Patienten in das neue städtische Krankenhaus ein. Erst am 27. Juni 1914 erfolgt die offizielle Eröffnung des Neuen städtischen Krankenhauses, welches zu Ehren von Thiem den Beinamen „Vereinigte städtische und Thiem´sche Heilanstalten“ trägt. Zu diesem Zeitpunkt besteht das Krankenhaus aus einem dreiteiligen Hauptgebäude, einem Wirtschaftsgebäude, einem Leichenhaus mit einer Kapelle, einem Laboratorium, einem Oberarztdienstwohngebäude, einem Beamtenwohnhaus und drei einzelnen Baracken für Patienten mit ansteckenden Krankheiten. Die für den damaligen Zeitpunkt moderne Einrichtung besitzt 332 Betten und 111 Beschäftigte und zählt damit schon zu einem der wichtigsten Arbeitgeber in der Stadt.
Mit dem Beginn des ersten Weltkrieges, steht das Krankenhaus schon wenige Monate nach der Eröffnung vor der ersten Bewährungsprobe. Es erhält die Aufgabe eines Reservelazaretts. Damit verbunden wird die Bettenanzahl auf 600 erhöht, wobei die Hälfte der Betten für das deutsche Heer reserviert ist. Trotz steigender Belastung wird ein großer Teil des Ärzteteams zur Wehrpflicht eingezogen. Hinzu kommt noch, dass am 1. Oktober 1917 der Chefarzt und Mitgründer des Krankenhauses Prof. Dr. Carl Thiem stirbt. Sein Nachfolger wird Dr. Kühne, welcher vor einer Reihe zu lösender Probleme steht. Das Krankenhaus platzt aus allen Nähten durch die vielen Verletzten von der Front, in der Stadt wird gegen den Ausbruch von hoch ansteckenden Krankheiten, wie zum Beispiel Fleckfieber gekämpft, die durch die schlechte Hygiene in Gefangenenlagern entstehen. Zu dem hat das Krankenhaus mit der stark unternährten Bevölkerung zu kämpfen, weshalb bald eine eigene Schweinemastanlage gebaut wird, die zur Nahrungssicherung beitragen soll.
Der Krieg endet 1918, was folgt ist die Inflation, die auch am Neuen städtischen Krankenhaus nicht spurlos vorbei geht. Ende der 1920er sind die Kassen leer. Selbst die Stadt Cottbus hat kaum noch finanzielle Mittel. Erst mit der Währungsreform 1923 und der Einführung der Reichsmark stabilisiert sich die finanzielle Lage. In Folge von steigenden Einnahmen kann eine teilweise Modernisierung im Krankenhaus erfolgen. So werden zum Beispiel neue Gerätschaften angeschafft, unter denen sich auch neue Röntgengeräte befinden. Des Weiteren werden Wohnmöglichkeiten für das Personal in Krankenhausnähe errichtet. 1935 besitzt das Krankenhaus 600 Betten und 240 Mitarbeiter.
Bedingt durch den Kriegsbeginn des zweiten Weltkriegs Anfang September 1939, wird das Krankenhaus erneut als Lazarett genutzt. Die Bettenanzahl wird auf 900 erweitert, wovon 450 für die Wehrmacht reserviert sind. Das Krankenhaus platzt, wie schon im ersten Weltkrieg, aus allen Nähten. Erneut wird ein großer Teil des Ärzteteams zur Wehrpflicht eingezogen und somit befinden sich 1940 nur noch sieben Ärzte in der Klinik. Als Folge der Rassentheorie der Nationalsozialisten tritt am 1. Januar 1934 das „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ in Kraft. Bedingt durch dieses ist das Personal gezwungen Zwangssterilisationen an Personen vorzunehmen, die nicht in das „arische Weltbild“ passen. Mit fortschreiten des Krieges befindet sich das Krankenhaus immer mehr im Griff der Politik und wird dadurch mit der immer radikaler werdenden „rassenhygienischen Aggressivität“ konfrontiert.
Am 15. Februar 1945 erlebt die Stadt Cottbus den bisher größten Bombenangriff. Ziel des Angriffes ist der Bahnhof, jedoch befindet sich das Krankenhaus genau in der Einflugschneise der Flugzeuge. Resultat davon sind 10 Volltreffer und mehr als 100 Einschläge in unmittelbarer Nähe. Die Operationssäle werden vollkommen zerstört, sowie ein Drittel aller Betten. Zusammengefasst ist das Krankenhaus zu 90 % zerstört.
Der Wiederaufbau dauert 4 Jahre, bis das Krankenhaus 1949 mit nun 960 Betten komplett genutzt werden kann.
Mit der Gründung der DDR im selben Jahr folgen zahlreiche Veränderungen, die auch das Krankenhaus betreffen. So wird Cottbus 1952 Bezirksstadt. Das hat zur Folge, dass das städtische Krankenhaus 1953 zum Bezirkskrankenhaus ernannt wird. Durch die nun wachsende Verantwortung werden zahlreiche Erweiterungen und Modernisierungen vorgenommen. So unter anderem der Bau einer Poliklinik, die am 25. März 1956 eingeweiht werden kann. Bedingt dadurch entwickeln sich im Cottbuser Bezirkskrankenhaus immer mehr Spezialabteilungen. Es fehlt jedoch das Fachpersonal, das in diesen arbeiten kann. Auf Grund von unter anderem der großen Unzufriedenheit mit der Regierung, folgt in der DDR die sogenannte „Republikflucht“. Bei dieser flüchten im Laufe der Jahre zehntausende Menschen aus der DDR in die Bundesrepublik.
Ungeachtet davon wird 1966 in Cottbus ein Bettenhaus für 72 Patienten und zur Unterbringung von weiteren neuen Abteilungen gebaut. Eine dieser Abteilungen stellt einen Meilensteinstein in der Geschichte des Klinikums dar. Es ist die Eröffnung der Anästhesie Abteilung. Ein relativ neues Feld in der Medizin und trotzdem kann das Bezirkskrankenhaus schon bald nach der Einweihung ein immer breiter werdendes Spektrum von Narkoseverfahren anbieten. 1970
kommt es dann zur Eröffnung einer modernen Station für die Intensivtherapie. Das Krankenhaus bietet immer mehr Möglichkeiten, die von der Bevölkerung auch genutzt werden. In Folge dessen, werden ein Neubau und die Sanierung des alten Krankenhausteiles immer notwendiger. Am 1. Oktober 1975 erfolgt die Grundsteinlegung für einen neuen Bau für die Klinik. Es folgt in den nächsten Jahren eine immer stückweise Erweiterung und Inbetriebnahme von verschiedenen Abteilungen. So wird 1977 der Bau für die Radiologische Klinik beendet, ein Jahr später ist der Erweiterungsbau für die Poliklinik fertig gestellt, 1979 kann das Internat der medizinischen Fachschule für Schwesternschülerinnen beendet werden. 1980 folgt ein weiterer Meilenstein, nämlich die Eröffnung der Abteilung für radiologische Diagnostik und Nuklearmedizin. 1982 erfolgt die Übergabe von einem 372 Betten-Haus, die Einweihung eines neuen Operationstraktes und am 11. Dezember schlussendlich die feierliche Übergabe der Neubauten an die Bevölkerung. Am Ende liegen die Investitionen für den Neubau bei 150 Millionen Mark.
Am 3. Oktober 1990 wird das Ende der DDR unterzeichnet. Das Krankenhaus, welches zuvor vom Staat finanziert wurde, wird am 31. Juli 1991 von der Stadt Cottbus als Eigenbetrieb übernommen. Im selben Atemzug erhält das Haus den Namen „Carl-Thiem-Klinikum“. Von dort an erfolgt die Finanzierung durch das Land Brandenburg. Es wird die Absicht verfolgt, das Klinikum im Gesundheitswesen zum „Flaggschiff von Brandenburg“ zu machen. Als einen der ersten Schritte wird 2002 das Krankenhauslogo eingeführt. Es soll Schutz und Geborgenheit für den Menschen symbolisieren. Ein weiterer Meilenstein ist die 2006 eingeweihte Spezialabteilung zur Behandlung von Patienten die einen Schlaganfall erlitten haben.
Heute besitzt das Krankenhaus 20 Fachabteilungen und 4 Institute. Mit 1203 Betten und ungefähr 2500 Mitarbeitern zählt das Krankenhaus zu einem der größten Arbeitgeber in Cottbus. Das Carl-Thiem-Klinikum ist Akademisches Lehrkrankenhaus der Berliner Charité und eines der größten und leistungsfähigsten Krankenhäuser in Deutschland und macht damit seinem Namensgeber Prof. Dr. Carl Thiem alle Ehre.
Quellen:
Cottbuser Zeitung: 70 Jahre Cottbuser Krankenhaus; 4/1984. | Festschrift zur Einweihung des Neuen städtischen Krankenhauses (Vereinigte städtische und Thiem´sche Heilanstalten); Cottbus 1914. | "Das Krankenhaus, eine Zierde der Stadt" : das Carl-Thiem-Klinikum Cottbus zwischen 1914 und 2014; Cottbus 2014.
Bildquelle: Fotosammlung Stadtarchiv Cottbus, Fotograf unbekannt
Autor: Ricardo Wanke